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Sie sind das bekannteste Liebespaar der Theatergeschichte. Ihre Liebe gilt als Inbegriff der heiß-kalten Leidenschaft, die größtes Glück und inniges Einverständnis mit dem eigenen Sterben vereint; zwei sehr gegensätzliche Zustände, die sich hochschaukeln, die am Ende fast zwangsläufig auf den Tod zusteuern. Romeo ist unglücklich verliebt in Rosalind und seine Freunde versuchen mit allerhand derbem Spott, ihn seiner Melancholie zu entreißen. Julia ist unter Druck, weil ihre Eltern sie fürsorglich und möglichst bald mit einem Prinzen verheiraten wollen. Und die Familien der beiden, die Montagues und die Capulets, pflegen eine rachsüchtige Familienfehde. Als Romeo und seine Freunde sich auf dem Maskenball bei den Capulets einschleusen, sieht er Julia zum ersten Mal – und sieht sie nicht, denn alle Gäste sind maskiert. Und dennoch: Beide trifft Amors Pfeil wie ein Blitz und sie sind verloren. Shakespeare, der weder die Liebe der Romantik noch unsere heutige Psychologie kannte, spielt in seinem Stück virtuos mit den literarischen Vorbildern. Die Liebe, die Shakespeare schildert, bezieht ihre Kraft durchaus noch aus dem literarischen Genre der mittelalterlichen Liebesdichtung, die dadurch ihre Schönheit erzielt, dass die Liebe umso heißer besungen wird, je unmöglicher sie faktisch ist. Und doch beschreibt er, rasend modern, wie sich die beiden Menschen aus ihren gesellschaftlichen Festlegungen herausarbeiten, wie ihr individuelles Gefühl ihnen die Kraft verleiht, die familiär und gesellschaftlich bestimmenden Ordnungen zu sprengen, den Diskurs über Freund und Feind, Mann und Frau, Schein und Sein, wie Wachs hinwegzuschmelzen. Kein Wunder, dass das tödlich endet.
Für ihre Kasseler ORESTIE erhielt Regisseurin Johanna Wehner 2017 den FAUST-Preis.
Für ihre Kasseler ORESTIE erhielt Regisseurin Johanna Wehner 2017 den FAUST-Preis.
Besetzung
Inszenierung
Bühne
Benjamin Schönecker
Kostüme
Ellen Hofmann
Musik und musikalische Einstudierung
Felix Johannes Lange
Dramaturgie
Licht
Oskar Bosman
Pressestimmen
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Schluffi-Apokalypse in Verona
Das könnten Zombies sein. Untote, irrlichternd. Erschlafft ist die Gesellschaft, die Johanna Wehner in ihrer Inszenierung von William Shakespeares Liebestragödie Romeo und Julia auf die Bühne bringt. Man hängt ab, mag sich kaum rühren, nicht mal für nächtliche Vergnügungen. Ein wenig Energie zusammenzukratzen lohnt allenfalls für die Hahnenkämpfe der Macho-Gangs, Capulet gegen Montague. Aufgeplustertes Jungsritual, das die tödliche Langeweile überlagern soll. Warum? »Es ist Brauch!«, ruft andauernd jemand.
Die Premiere am Kasseler Staatstheater wurde am Samstag lang beklatscht. Benjamin Schönecker hat eine Bühne gebaut, die aussieht wie der abgerockte Vorplatz eines Festsaals. Altmodischer Zigarettenautomat, Stuhlstapel, Feuerlöscher, funktionslose Geländer. gekachelte Kübel voller Pflanzen. Die sind allerdings vollkommen vertrocknet. Der Verfall ist nicht rückgängig zu machen.Die Inszenierung will zeigen, dass sowohl die Feindschaft der Familien als auch die Liebe der Clansprösslinge so extrem sind, weil Gefühlsaufwallungen das einzige Elixier sind, das die Veroneser Schluffis nährt. So entstehen Hypes – ein brennend aktuelles Thema. Und die werden im Unterschied zum Kübel-Grün sorgsam gepflegt. [...]
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