Trailer
Inhalt
»Offenbach, biatch, I love you«, hätte Witold Gombrowicz sagen können. Hat er aber nicht. Stattdessen komponierte er eine Operette mit dem Titel »Operette«, genauer: er lieferte eine Partitur aus Worten, die nach Operette klingen. Denn er liebte die Operette an sich, als die Feier der Schönheit idiotischer Symbole; nirgends sei der Mensch, das eitle Vieh, so sehr bei sich wie in einer Operette. Als er das hier mitten in die Revolten der 1960er Jahre dichtete, hatte sich die klassische Operette irgendwie erledigt: womöglich hatte der Faschismus und seine fatale Kombination aus Gewalt, Schönheit und Idiotie sie einfach überflüssig gemacht. Heute aber, im Zeitalter von instagram-influencer-superstar-blingbling: haben wir die Operette totalitär nötig. Heute, wo sich alles der Diktatur der Mode unterwirft und unser großes Projekt lautet, glücklich und schön und perfekt zu sein, und sei es für die Länge einer erigierten Selfie-Stange: Biatches, it's operette, it's porn!
Dazu schuf Thorsten Drücker die Komposition als absurden Gewaltritt durch die Höhen und Tiefen von HipHop (Trap), Rock, Pop, um den Abergombrowitz der Worte glänzen und klingen zu lassen – den Sound von Schloß Himalaj, dem wagnerschen Leitmotiv der »Stühlchen des Lord Blotton«, dem geschmeidigen Rap des Grafen Charme, der dem Albertinchen an die Wäsche will (wortwörtlich, denn hier gilt es als geil sich anzuziehen, nicht sich auszuziehen). Dieses Albertinchen aber, erst kaum mehr als eine Schaufensterpuppe für männliche Modefantasien, mutiert durch einen Unfall, durch eine seltsame unmittelbare Berührung eines Spitzbuben: die in dieser ganzen idiotischen, feinen, aufgemotzten Symbolwelt ihr etwas ganz Sensationelles schenkt – ein Gefühl von Körper. Und dieses Gefühl schwillt auf zu einem Sturm, der wie eine ökologische Katastrophe von nuklearem Ausmaß sie alle wegreißen wird: die Grafen, Prinzen, Generäle, kotzenden Professoren, Revoluzzer, Nazischergen – und was bleibt ist einzig dies... Nacktheit...
Dazu schuf Thorsten Drücker die Komposition als absurden Gewaltritt durch die Höhen und Tiefen von HipHop (Trap), Rock, Pop, um den Abergombrowitz der Worte glänzen und klingen zu lassen – den Sound von Schloß Himalaj, dem wagnerschen Leitmotiv der »Stühlchen des Lord Blotton«, dem geschmeidigen Rap des Grafen Charme, der dem Albertinchen an die Wäsche will (wortwörtlich, denn hier gilt es als geil sich anzuziehen, nicht sich auszuziehen). Dieses Albertinchen aber, erst kaum mehr als eine Schaufensterpuppe für männliche Modefantasien, mutiert durch einen Unfall, durch eine seltsame unmittelbare Berührung eines Spitzbuben: die in dieser ganzen idiotischen, feinen, aufgemotzten Symbolwelt ihr etwas ganz Sensationelles schenkt – ein Gefühl von Körper. Und dieses Gefühl schwillt auf zu einem Sturm, der wie eine ökologische Katastrophe von nuklearem Ausmaß sie alle wegreißen wird: die Grafen, Prinzen, Generäle, kotzenden Professoren, Revoluzzer, Nazischergen – und was bleibt ist einzig dies... Nacktheit...
Zur Musik
Komponist Thorsten Drücker hat mit seiner Vertonung der Gombrowicz’schen Texte nicht nur die Musik zu der Kasseler Inszenierung beigesteuert, sondern auch in der Musikszene nachhaltig Eindruck hinterlassen. Sein Album OPERETTE PT.1 (Music for Theatre No. 4) stieg auf Platz 85 der internationalen iTunes Hip HopCharts ein. Er zitiert darin unter anderem zeitgenössische Künstler*innen und Stilrichtungen,spielt in seiner ureigenen Art mit musikalischen Themen und Rhythmen und nicht wenige Songs aus dem Album haben Kultcharakter. Die Musik zum Stück ist sowohl auf iTunes als auch auf Spotify verfügbar.
Besetzung
Inszenierung
Musik
Bühne
Kostüme
Choreografie
Licht
Oskar Bosman
Dramaturgie
Video
Oskar Bosman, David Worm

Spitzbube 1
Güney Korkmaz
Pressestimmen
Der Hessischen Rundfunk strahlte am 18. Januar einen Vorbericht zur Inszenierung Operette in der Sendung Hauptsache Kultur aus.
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Wenn der Punk-Graf rappt
Eine übersättigte Feudalgesellschaft beschäftigt sich nur noch mit Oberflächen und Oberflächlichkeiten: Aussehen, Mode, Strategien für erotische Eroberungen, Selbstbespiegelung. »Ich hasse, dass ich meinen Hass so hasse«, bekundet der Professor (Philipp Basener). So gelingt es totalitären Strömungen, in der Gesellschaft geschmeidig Fuß zu fassen. Und als Albertinchen, die wegen ihrer unschuldigen Aura begehrte junge Frau, »Nacktheit« fordert – das Ende des schönen Scheins –, bricht die von Schminke und Schmäh mühsam zusammengehaltene Welt final auseinander. Rosendahl lässt den brandaktuellen gesellschaftskritischen Subtext im Hintergrund stets mitschwingen, zelebriert aber zugleich ein aberwitziges Spektakel der Posen und Possen. Und in dem Maß, wie das Publikum sich dem Vergnügen hingibt, gerät es selbst in die im Stück aufgezeigte Falle hinein. Der Spiegel, der gegen Ende die Ansicht des Parketts auf die Bühne holt, ist dafür das passende Bild. Hier wird in einer geschickten Überblendung dann auch die Zuschauerschar entblößt: Die unter großer Medienaufmerksamkeit gecasteten nacktheits-bereiten Komparsen sind hier einige Sekunden lang zu sehen. Daniel Roskamps violette Szenerie wirkt wie mit floralen Tapeten ausgekleidet, im Hintergrund scheint sich ein computergenerierter Wasserfall hinabzustürzen. Eine automatisch ausfahrende Rampe ist Laufsteg für das Herrscherpaar Prinz und Prinzessin Himalaj, die Hagen Bähr und Alexandra Lukas spielen wie nur noch semi-funktionstüchtige Aufziehpüppchen in Plateaupumps.Brigitte Schimas Kostüme im Punk-Rokoko-Stil sind so crazy und opulent, dass es einen Moment dauert, die Schauspieler darin jeweils zu identifizieren. Toll der angedeutete Reifrock von Prinzessin Himalaj, ein wenig unheimlich das bläulich beleuchtete Dekolleté und die Strumpfmaske des Albertinchen (Meret Engelhardt), die jegliche Individualität ausmerzt.
Und: Alle singen. Während zum Originalstück keine Musik gehört, hat für Kassel Thorsten Drücker den Abend durchkomponiert – von Operettenopulenz über Mainstreampop bis Rap.Aus dem großen, bestens aufgestellten Ensemble ragen die unangefochtene Queen of Cool, Caroline Dietrich, als Graf Charme und Konstantin Marsch mit Silbertolle als Baron Firoulett heraus, die sich einen großen Rap-Battle liefern – sensationell: »Impertinenz, was soll der Tort, verbitte mir das, fort, fort fort.« Bernd Hölscher in Astronautenhose ist als Maestro Fior ein Modeschöpfer, der der Society die neuesten Kreationen liefern soll und sich auf den Rat von Graf Hufnagel (dem irrwitzig gelenkig herumhastenden Lukas Umlauft) einlässt, lieber socialmediamäßig zu schauen, was im Volk getragen wird. Oh-là-là – das ist das Einfalltor für die Umstürzler. Und wenn es dann hart auf hart kommt, flüchtet sich die Gesellschaft am allerliebsten in das Liedchen vom »getupften, kleinen Schmetterling«.